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„Wir werden als Christen auch daran erkannt, wie wir dem Fremden begegnen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Gebetsgedenken zum Weltflüchtlingstag am 25. Juni 2015 in der Würzburger Franziskanerkirche

Das Flüchtlingselend ist weiterhin von großer Aktualität. Fast täglich erreichen uns Nachrichten von Unglücken und Dramen, die auf den Wegen der Flucht geschehen. Das schreckliche Unglück im April dieses Jahres, bei dem bis zu 1000 Personen vor Libyen ums Leben kamen, hat uns erneut die Not dieser Menschen vor Augen geführt. Scheinbar ist die Kultur der Gleichgültigkeit, von der Papst Franziskus spricht, tief verwurzelt. Europa tut sich schwer, eine gemeinsame Lösung für dieses Problem zu finden. Viele wollen die Türen verschließen und sagen, dass sie nicht helfen können. Das ist eine engherzige Antwort, die wir Christen nicht akzeptieren dürfen. Außerdem wissen wir, dass die Ursachen für die Flucht häufig auch mit einer gescheiterten Politik der reichen Welt verbunden sind. Kriege, Elend und Terror haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Häufig wird dabei wieder zu Krieg und Gewalt gegriffen, um die Probleme zu lösen. Das Scheitern solcher Lösungen steht uns heute allerdings deutlich vor Augen.

Der Weltflüchtlingstag, den die Vereinten Nationen seit dem Jahr 2000 am 20. Juni begehen, erinnert uns an das vielleicht größte Drama der Menschheit unserer Zeit. Über 50 Millionen Menschen mussten aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen. Dieser Tag möchte gerade auch uns Christen in Erinnerung rufen: Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch Ausdruck dafür, dass unsere Gesellschaft sich zu den Grund- und Menschenrechten bekennt. Diese sind unteilbar und nicht verhandelbar. Andernfalls gefährdet man die Menschenrechte eines jeden Menschen – wie es leider schon bei der Präimplantationsmethode und bei der Sterbehilfe in einigen europäischen Ländern geschieht.

Jesus selbst hat schon als Kleinkind mit seiner Familie das Drama der Flucht erlebt. Er hat Aufnahme und Gastfreundschaft in Ägypten gefunden, das hat sein Leben vor der mörderischen Gewalt gerettet. Er selbst hat sich mit den Fremden identifiziert und gesagt: „Ich war fremd und obdachlos“ (Mt 25,35). Wenn wir in Fremden Jesus erkennen, gehen wir auf dem Weg des Evangeliums. Das Heil der Menschen wird im Evangelium davon abhängig gemacht, dass sie die Fremden und Obdachlosen aufnehmen, da wir in ihnen den Herrn selbst aufnehmen.

Schon die ganze alttestamentliche Tradition kennt ein besonderes Schutzrecht der Fremden, weil sich die Bibel ihrer Hilfsbedürftigkeit und Not in einer fremden Umgebung bewusst ist. Der Fremde soll wie ein Einheimischer gelten, das ist die Ethik der Heiligen Schrift. Es gibt kein minderes Recht für die Fremden (Ausländerrecht), sondern das von Gott gesetzte Recht ist gleichermaßen gültig für alle Bewohner eines Landes. Die Schutzgebote der Bibel werden nicht als zeitlose Grundsätze formuliert, sondern sie werden motiviert mit der geschichtlichen Erfahrung Israels. Weil Israel selbst in seiner Geschichte dieses Fremdsein, ja sogar Sklaverei erfahren hat, deshalb soll es sich gleichsam in die Fremden hineinversetzen, wie es ihnen denn wohl geht, sich mit ihnen identifizieren. Auch wir haben in der Geschichte unseres Landes das leidvolle Drama von Flucht erlebt. Vor wenigen Tagen wurde der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs begangen. Es war auch ein Gedenken an das Elend vieler Flüchtlinge. Diese Erfahrung muss uns sensibel machen für das, was heute leider in so vielen Teilen der Welt vor sich geht, und für die Menschen, die heute zu uns kommen.

Wir werden als Christen auch daran erkannt, wie wir dem Fremden begegnen. Das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr ist der Barmherzigkeit gewidmet. Gerade durch die Aufnahme der Flüchtlinge können wir wichtige Zeichen der Barmherzigkeit setzen. Ich bin dankbar, dass in unserer Stadt und in unserer Diözese viele Menschen ihre Häuser und Herzen für Flüchtlinge geöffnet haben. Das sind wichtige Zeichen. Aber wir dürfen uns auch nicht damit zufrieden geben, weil die Not groß ist und weil wir durch unsere Sicherheit und unseren Reichtum verantwortlich sind für unsere leidenden Schwestern und Brüder.

Das heutige Gedenken und Gebet lenkt unseren Blick auf unsere Mitmenschen und auf viele Länder in der Ferne, die in dieser globalen Welt in die Nähe gerückt sind. Schon Robert Schuman, einer der Gründerväter der EU, schrieb in der kleinen Schrift „Europa“, dass die Kontinente und Völker – und er dachte in europäischer Perspektive besonders an Afrika – in hohem Maß voneinander abhängig sind, um Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde zu wahren und durchzusetzen. Eine Abschottung schade allen. Daher ist es keine Lösung, wenn Europa Schutzwälle und neue Mauern errichtet.

Abschottung führt nur zu noch mehr Leid. Das heutige Gedenken erinnert uns daran, dass viele, zu viele ihr Leben in der Hoffnung auf ein besseres Leben in unserem Europa verloren haben. Es sind Männer, Frauen und viele, viele Kinder, die eine Zukunft suchten, die vergeblich auf offene Herzen gehofft haben. Leider wurden sie enttäuscht. Daher möchte dieses Gedenken uns auch aufrütteln, damit wir nicht müde werden, für eine Kultur der Gastfreundschaft einzutreten. Die Gastfreundschaft ist nicht nur eine Hilfe für die Flüchtlinge, sie wird auch uns bereichern. Ist das nicht die Erfahrung unseres Landes nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs? Haben nicht die Aufnahme vieler Flüchtlinge und dann die vielen sogenannten Gastarbeiter geholfen, unser Land wieder aufzubauen, sodass wir heute in Dankbarkeit in Frieden und Wohlstand leben können?! Sicherlich hat sich unser Land verändert, wir sind bunter geworden. Auch das kirchliche Leben ist vielfältiger geworden, wie wir es bei diesem Gebet erleben. Das ist keine Gefahr, sondern ein Reichtum.

Ich möchte schließen mit einem Wort von Papst Franziskus aus dem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium: „Die Migranten stellen für mich eine besondere Herausforderung dar, weil ich Hirte einer Kirche ohne Grenzen bin, die sich als Mutter aller fühlt. Darum rufe ich die Länder zu einer großherzigen Öffnung auf, die, anstatt die Zerstörung der eigenen Identität zu befürchten fähig ist, neue kulturelle Synthesen zu schaffen… und aus dieser Integration einen Entwicklungsfaktor zu machen.“

Ich denke, dass diese Worte des Papstes eine schöne Perspektive sind, um in unserer Stadt und unserem Land mitzuhelfen, die Kultur der Barmherzigkeit zu stärken, damit alle in Frieden und Würde leben können.